Dienstag, 1. November 2016

Mittwoch 22:15 Uhr RTL

Liebe Eltern, liebe Mütter, heute (Mittwoch) Abend gibt es einen TV-Beitrag zu einem Thema, das mir in der täglichen Arbeit leider sehr oft begegnet: Burnout bei Müttern Stern-TV

Die Anforderungen in unserem Leben und in dieser Gesellschaft sind mittlwerweile so groß, dass schon die Organisation und Bewältigung der basalen bürokratisch-administrativen Pflichten eines Normal-Bürgers zu einem echten Teilzeitjob werden - ein Großindustrieller des frühen 20. Jahrhunderts hatte vermutlich auch nicht mehr Verwaltungsaufwand mit der Führung seines Unternehmens als ein x-beliebiger Steuerzahler heutzutage mit den Aufgaben als Versicherter, Mieter, Kunde usw.  Dazu kommt die extreme Verdichtung der Arbeit in den modernen Beschäftigungsverhältnissen, die eigentlich immer dazu führt, dass man durchgängig gestresst doch nur einen Bruchteil dessen erledigen kann, was man eigentlich schaffen müsste, und unzufrieden mit sich selbst nach hause geht. Haushaltsführung, Partnerschaft und natürlich die Kinder waren früher ja schon ein Vollzeitjob, heute muss man das dann noch "nebenher" erledigen. Von einem pflegebedürftigen Angehörigen ganz zu schweigen.

Es ist ja eigentlich klar, dass das nicht gut gehen kann.

Das Hauptproblem für die Kinder ist aus meiner Erfahrung garnicht der Mangel an Zeit, sondern das hohe Stess- und Erschöpfungsniveau der Mütter (bzw. der Väter). Dies führt zu vielen kleinen Problemen im Miteinander, meist infolge von Gereiztheit, Müdigkeit und innerem Rückzug des Elternteils. Die wenige verbliebene Zeit wird dann nicht zur Quelle von entspannten und stärkenden gemeinsamen Erfahrungen zwischen Müttern und Kindern sondern zu einem Kreislauf von Anforderungssituation (Klassiker: Hausaufgaben) - Konflikten - impulsiv-gereizten elterlichen Reaktionen - nachfolgenden Selbstvorwürfen und Insuffizienzgefühlen des Elternteils - mehr Erschöpfung usw. Die Kinder sind frustriert und verwirrt, fragen sich, was sie falsch machen (Selbstwert!), und gehen selbst immer mehr auf Distanz (Einsamkeit!) - um die Mutter nicht zu einer gereizten Reaktion zu provozieren, aber auch, um die Mutter zu schonen. Denn die Kinder nehmen oft sehr gut, mitunter sogar besser als die betroffenen Mütter selbst, wahr, dass diese belastet und unglücklich sind. Nicht selten vernachlässigen die Eltern auch die eigene Gesundheit, was von den Kindern ebenfalls mit Sorge begleitet wird.

Jüngere Kinder reagieren häufig selbst gestresst und expansiv, es entwickeln sich sehr belastende Eskalationsspiralen (die die schon erschöpften Mütter noch weiter in den Burnout treiben können). Ältere, einfühlsame Kinder versuchen sich dagegen nach der schwankenden Verfassung und Belastbarkeit der Mutter zu richten, lernen, ihre Stimmung zu erspüren, es ihr recht zu machen, übernehmen teilweise Verantwortung für den Elternteil. Dabei lassen sie die eigenen Bedürfnisse und Emotionen zunehmend außer Acht, vermitteln nach außen den Eindruck, alles sei gut - und werden der Mutter (Rollenvorbild) damit immer ähnlicher. Auf diese Weise bestehen ähnliche Konstellationen dann über Generationen hinweg fort.

Um hier eine wirkliche Veränderung zu erreichen, muss es den Betroffenen häufig erst einmal gelingen, das Wunschdenken ("irgendwie muss es doch gehen!") zu beenden und sich weniger um die Bedürfnisse und Belange anderer (v.a. von Chefs, KollegInnen und Verwandten) zu kümmern. Realismus und Selbstfürsorge sind die Stichworte, die zu einer Entspannung der Situation beitragen können, z.B. durch die Erkenntnis, dass die Belastung eben nicht zu bewältigen ist und man diese reduzieren muss, und durch ein gesundes Maß an Egoismus. Manche Eltern müssen diese Fähigkeiten erst (wieder) erlernen, oft spielt dabei auch das Thema "Selbstwert" eine zentrale Rolle. Hierbei ist eine Psychotherapie fast immer sinnvoll und empfehlenswert. In Fällen einer ausgeprägten Symptomatik und Erschöpfung kann auch ein Klinik- oder Tagesklinikaufenthalt ratsam sein. Die Kinder sind in der Regel entlastet, wenn der Elternteil beginnt, wieder besser für sich zu sorgen und notwendige Hilfe in Anspruch zu nehmen.

P.S.: Selbstverständlich ist dies kein mütterspezifisches Problem, sondern betrifft den Elternteil, der neben einer Berufstätigkeit noch die Hauptverantwortung für das Kind/die Kinder trägt. Vielleicht sind die teilweise widersprüchlichen, tradierten und modernen gesellschaftlichen und auch eigenen Erwartungshaltungen für die Mütter aber potenziell überfordernder als für die Väter...

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